Roter Heuberg 2025 – Feuerwehren trainieren auf dem Truppenübungsplatz Heuberg für den Ernstfall
Willkommen auf der Kämpferbahn. Für die Feuerwehren Balingen-Frommern, Stetten am kalten Markt und die Bundeswehr-Feuerwehr Hammelburg geht’s an diesem nieselregnerischen Samstagmorgen gleich gut los. Nach der Explosion in der fiktiven Firma „S. Hermann Dampfkesselbau“ herrscht eine komplexe Situation: Ein Arbeiter ist mit einem Arm in einer Maschine eingeklemmt, er schreit in einem fort, genauso wie ein anderer, der durch ein Stahlrohr quasi gepfählt wurde. Dazu kommt ein Unfall: Der Wagen brennt, der Fahrer ist eingeschlossen. Die Einsatzkräfte sind stark gefordert.
Die „Kämpferbahn“ ist eine der 21 Stationen der Großübung „Roter Heuberg“. Mehr als 1300 Angehörige von Feuerwehren sowie Mitglieder weiterer Blaulichtorganisationen – Technisches Hilfswerk, DRK, Malteser, Polizei, DLRG, außerdem Bundeswehr-Feuerwehr – wirken am letzten März-Wochenende auf dem knapp 48 Quadratkilometer großen weitläufigen und deshalb bestens geeigneten Gelände des Truppenübungsplatzes Heuberg und in der Alb-Kaserne Stetten am kalten Markt daran mit. Angereist kommen sie aus ganz Süddeutschland, aus der Schweiz und sogar aus Liechtenstein, um entweder zu trainieren oder eine der Stationen ehrenamtlich aufzubauen und zu betreuen.
In der Blaulichtfamilie ist der „Rote Heuberg“ – eine der größten Übungen dieser Art deutschlandweit – eine feste Institution. Die Anfänge gehen ins Jahr 2007 zurück, als der Landkreis Sigmaringen das erste Mal eine eintägige Übung mit einem Szenario für die Feuerwehren aus dem eigenen Landkreis auf dem Gelände der Bundeswehr organisierte. 2012 stieg der Zollernalbkreis ins Organisations-Boot. Das Übungskonzept wurde stetig weiterentwickelt und in Absprache mit der Bundeswehr ausgebaut. Nach und nach ging man zur Stationsausbildung über: Die Feuerwehrleute trainieren innerhalb weniger Stunden unter realistischen Bedingungen die verschiedensten Einsatz-Situationen und damit die Vielfalt der Herausforderungen, vor die sie täglich gestellt werden können. An diesem Wochenende stehen zum Beispiel diverse Brände, technische Hilfeleistungen, Rettungen aus Wasser sowie aus Höhen und Tiefen, Tierseuchenbekämpfung und Dekontamination und ein Gefahrgutunfall auf dem Plan. Die 21 Szenarien sind drei Rundkursen zugewiesen, rot, blau und grün. Die Stationen sind kurz, knackig und intensiv. In rund 20 Minuten sollen sie erledigt sein. Manchmal dauert’s ein wenig länger.
Kurz nach 9 Uhr. Während die Stationsbetreuer schon lange im Gelände aktiv sind und die Szenarien vorbereitet haben, versammeln sich vor dem weitläufigen Areal des Gebäudes 200 der Alb-Kaserne die übenden Einheiten. Ein eindrucksvolles Bild. Dutzende Feuerwehrfahrzeuge, hunderte Einsatzkräfte. Essenspakete werden ausgegeben, eine Mittagspause ist nicht vorgesehen. Die Kreisbrandmeister Sven Röger (Zollernalbkreis) und Michael Reitter (Sigmaringen) sowie Hauptmann Michael Malcher seitens der Bundeswehr begrüßen die Übungsteilnehmer. Andreas Dittmann und Marcus Siber vom Organisationsteam geben letzte Hinweise. Trotz des leichten Regens ist die Stimmung gut. „Ideales Übungswetter“, witzelt jemand.
Wer mit wem wohin ins Gelände zu den Übungsstationen aufbricht, haben Röger, Reitter & Co. vorab ausgetüftelt. Jeweils drei Feuerwehrfahrzeuge mit Staffelbesatzung à sechs Einsatzkräfte sowie ein Zugführer bilden eine Einheit. Diese Züge sind bunt zusammengewürfelt, möglichst aus verschiedenen Landkreisen: Der erste rote Zug steht zum Beispiel unter der Führung der Feuerwehr Markdorf, dazu kommen Fahrzeuge der Feuerwehren Heilbronn, Rosenfeld und Niedereschach. Warum? Röger erklärt: „Eines der Ziele des Roten Heubergs ist, die Zusammenarbeit und das Vertrauen zwischen den Feuerwehren zu stärken. Das erreichen wir dadurch, dass wir die Einheiten mischen und miteinander trainieren lassen. Bevölkerungsschutz endet nicht an der Stadt-, der Landkreis- oder gar der Landesgrenze“. Dazu kommt die organisationsübergreifende Vorbereitung und Betreuung der Stationen sowie des notwendigen Drumherums: Die Einrichtung von Meldeköpfen und Bereitstellungsräumen, die Sicherstellung von Kommunikationswegen, die Verpflegung und Betreuung der Vielzahl an Personen sowie die stabsmäßige Durchführung der Übung sind, das zeigt die mittlerweile mehrjährige Erfahrung, für alle Beteiligten aus der Blaulichtfamilie eine wertvolle Vorbereitung im Bevölkerungsschutz für Großschadens- und Flächenlagen.
„Pisa“ ist die erste Station des Rundkurses Rot innerhalb der Kaserne benannt. An dem speziellen Übungsturm der Bundeswehr-Feuerwehr geht es nicht schief zu, sondern hoch – beziehungsweise tief runter: Aufgabe ist es, einen Verletzten aus mehreren Metern Höhe sicher nach unten zu bringen. Gemeinsam gerade dort im Einsatz: Feuerwehrleute aus Bisingen, Bodelshausen und Wald. Sie verlegen Seile, knoten, sichern die Trage an der Leiter, über die sie den „Verletzten“ langsam und sachte nach unten befördern.
Welche Stationen sie welcher Reihenfolge abzuarbeiten haben, erfahren die Übenden aus den Roadbooks. Darin ist aufgeführt, wer zum Zug gehört, außerdem Kommunikationshinweise und Sicherheitsregeln. Zu jeder Station ist zudem die An- und Abrückzeit sowie eine Bewertung einzutragen. Die Roadbooks werden im Anschluss an die Übung durch die Übungsleitung eingesammelt und dienen ihnen zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung. Die Bewertungen werden für Optimierungsbedarfe in der Planung fürs Folgejahr analysiert.
Was die Übenden erst beim Eintreffen an den Stationen erfahren: Welches Szenario sie konkret erwartet. Sonderlage mit verletzten Polizisten? Ein abgestürzter Helikopter, aus dem Flammen schlagen und Schreie zu hören sind? Ein Gefahrgutunfall? In der „Badewanne“ – einem Tümpel auf der Schießbahn 5 – schreien zum Beispiel Menschen um Hilfe, in einem Wagen, der halb im Wasser hängt, ist ein Mann gefangen. Rettung naht: Die Feuerwehren Schömberg, Gammertingen und Rielasingen-Worblingen rücken an. Seile werden geworfen, die Schwerlastwinde geht in Betrieb. Die Feuerwehrleute retten die Hilfsbedürftigen, legen sie auf Tragen und übergeben sie dem DRK. Nach wenigen Minuten ist die Badewanne für diese Einheit geschafft. Und der Nieselregen lässt um die Mittagszeit endlich nach.